Der Aktivist Almoustapha Alhacen kritisiert die Folgen des Uranabbaus in Niger. An dem jüngsten Staatsstreich trage der Westen eine Mitschuld, sagt er.
Unter den Sanktionen gegen Niger leidet vor allem die Bevölkerung. Hier werden Waren aus Benin über den Wasserweg transportiert Foto: Balima Boureima/afp
taz: Vor etwas über sechs Wochen übernahm in Niger mit einem Staatsstreich das Militär die Regierung. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas hat fast unmittelbar danach Sanktionen, etwa geschlossene Grenzen, verhängt. Wie wirken sich diese auf Niger aus?
Almoustapha Alhacen: Die Sanktionen sind sehr schlecht für die Bevölkerung und unser Land. Wir verurteilen sie, weil sie unsere Probleme nicht lösen. Bestraft werden damit die Menschen, aber auch Unternehmen.
ist Gründer der Organisation Aghir In'Man, die sich für die Rechte ehemaliger Arbeitender in französisch betriebenen Uran-Minen einsetzt
Wie bewerten Sie die Rolle der Ecowas generell?
Die Verantwortlichen innerhalb der Organisation werden von Europa und ganz besonders von Frankreich manipuliert. Gleichzeitig wollen die Präsidenten der Mitgliedstaaten verhindern, dass es in ihren Ländern ebenfalls zu Putschen kommt. Wenn der Okzident die Länder Afrikas weiter so manipuliert, wird das aber immer wieder passieren.
Aber ist Europa – und ganz besonders Frankreich – auch verantwortlich für die Situation in Niger vor dem Putsch?
Man kann Frankreich nicht für alles verantwortlich machen, durchaus aber für einige Dinge. Ich befinde mich gerade in einem Dorf, in dem etwa deutsche Institutionen Hilfsprojekte unterhalten, die die Bevölkerung vor Ort unterstützen sollen. Von französischen fehlt jede Spur. Frankreich verfolgt die Strategie, mit dem Staat bilateral zu arbeiten, etwa über Budgethilfe. Das wird von der Bevölkerung aber nicht wahrgenommen.
Frankreich wird sichtbar, wenn es um den Abbau von Uran geht.
Ja, doch das Nuklearenergie-Unternehmen Orano behandelt unsere Umwelt und Bevölkerung schlecht. Wir profitieren davon nicht. Frankreich ist nicht hier, um uns in unserer Entwicklung zu unterstützen. (Eine von dem Unternehmen in Niger betriebene Mine hat am 8. September den Betrieb vorerst eingestellt. Das Unternehmen nennt Lieferschwierigkeiten aufgrund der Ecowas-Sanktionen als Grund. Anm. d. Red.)
Zahlreiche Menschen in Niger setzen auf Russland.
Ich glaube nicht, dass Russland besser ist. Doch Frankreich behandelt uns schlecht, im politischen wie wirtschaftlichen Bereich. Das gilt auch für Orano. Das Unternehmen muss – wie zahlreiche andere multinationale Konzerne auch – menschlicher werden. Mit Russland oder China würde sich das aber nicht verbessern.
Niger ist das vierte Land in Westafrika ohne gewählte Regierung. Wie ist es um die Demokratie auf dem Kontinent bestellt?
Als Mitglied der Zivilgesellschaft und Gründer einer nichtstaatlichen Organisation glaube ich an die Demokratie. Ich stelle mir aber die Frage: Passt die Demokratie zu uns? Oder müssen wir ein anderes, ein eigenes Modell finden, das dauerhafte Stabilität bringt? Denn diese haben wir derzeit nicht, stattdessen kommt es immer wieder zu Staatsstreichen, nicht nur aktuell. Es ist längst überflüssig, sich zu fragen, wie sich die Situation dauerhaft verändern lässt.
Immer wieder sind Bilder mit tausenden mutmaßlichen Unterstützer:innen der Militärjunta zu sehen. Sie stammen aus der Hauptstadt Niamey. Wie sieht die ländlich lebende Bevölkerung die aktuelle Situation?
Sie ist weit weg von den aktuellen Entwicklungen und unterscheidet kaum zwischen der Macht der Politiker und der des Militärs. Da kommen allerdings die Sanktionen wieder ins Spiel: Die Preissteigerungen bereiten den Menschen Sorgen. Doch darüber hinaus hat sich für sie wenig geändert.
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Author: Kimberly Chambers
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